Geschichte

Kurze Einführung in die Geschichte der Glasharmonikas

1761

Erfindung

Die „armonica“ ist ein 1761 von Benjamin Franklin entwickeltes Reibe-Idiophon, das in der Geschichte der Musik eine herrausragende Stellung einnahm, heute jedoch weitgehend vergessen ist.

Zur Tonerzeugung dienen verschieden große, ineinander geschobene Glasglocken, die auf einer gemeinsamen waagerechten Achse lagern, die durch ein Pedal in Rotation versetzt wird.

Gespielt wird die armonica, von Franklin in einem Brief so benannt, durch das Berühren der Glockenränder mit einem feuchten Finger. Der Tonumfang der chromatisch gestimmten armonica beträgt zweieinhalb bis vier Oktaven.

Ende 18. Jahrhundert

Die Glas-Harmonika

Das erste Konzert auf der neuen Harmonika (wie die franklinsche Armonica seit ihrer Verbreitung im deutschsprachigen Raum genannt wurde) gab Marianne Davies (1740 - ca. 1818), eine Verwandte von Franklin, schon Anfang 1762 im Great Room in Spring Gardens und kurz darauf in Bristol, London und Dublin.

Weitere Harmonikas wurden alsbald in großer Anzahl gerade in den damals deutschsprachigen böhmischen Gebieten von zahlreichen Herstellern angefertigt. In diesen Regionen waren die zur Glasherstellung notwendigen Rohstoffe reichhaltig vorhanden und die Techniken der Glasverarbeitung entsprechend weit entwickelt.

Der Zusatz „Glas-Harmonika“ wurde durch die Erfindung der Physharmonikas (etwa 1818), Vorläufer des Harmoniums, notwendig. Bis dahin waren alle in Noten und Publikationen erwähnten „Harmonikas“ ausschließlich Glasharmonikas.

1791

Konzert für Mozart

Im Jan. 1791 trat die blinde Glasharmonika-Virtuosin Marianne Kirchgeßner zusammen mit ihrem Mentor und Förderer, dem einflußreichen Musikverleger Heinrich Philipp Carl Bossler und dessen Gattin, ihre erste Konzertreise durch Europa an.

Ihr Harmonikakonzert in Wien am 10. Juni 1791 veranlaßte Mozart, ein Quintett für Harmonika, Flöte, Oboe, Viola und Cello (KV 617) und ein Solo-Adagio (KV 617a = KV 356) für sie zu komponieren. Am 19. Aug. folgte die Uraufführung von KV 617, das zur Grundlage ihrer zehnjährigen außergewöhnlich erfolgreichen Virtuosenreise werden sollte.

Ihre Glasharmonika stammte aus der Werkstatt des Darmstädter Instrumentenbauers und Komponisten Joseph Alois Schmittbaur (1718-1809). Mozart spielte seit seiner Jugend immer wieder auf der Harmonika seines Freundes Franz Anton Mesmer in Wien.

Anfang 19. Jahrhundert

Ein Klang wie 'Werther'

Neben zahlreichen Solo- und Kammermusikwerken entstanden auch immer mehr Orchesterstücke für und Opern mit Glasharmonika. Sie fungierte in den kleineren Theatern oft als Orgelersatz und wurde in bedeutenden Inszenierungen solistisch in dramaturgischen Schlüsselszenen eingesetzt, um mit ihrer einzigartigen Klangfarbe die Besonderheit der jeweiligen Szene zu unterstreichen, z.B. in der sog. Wahnsinns-Szene in Donizettis Lucia di Lammermoor (1835 Neapel).

Auch viele Dichter der Zeit, u.a. Goethe, Schiller, Jean Paul, Herder, Wieland, Schubart, E. T. A. Hoffmann und der Philosoph Hegel, äußerten sich in ihren Werken zu dem bemerkenswerten Klangcharakter der Harmonika als akustischer Ausdruck der 'Werther'-Zeit.

Ab 1830

Die Glasharmonika wird vergessen

Ab etwa 1830 geriet die Glasharmonika mehr und mehr in Vergessenheit, da andere Instrumente mit ähnlicher dynamischer Ausdrucksfähigkeit existierten, wie die Physharmonika Anton Haeckls.

Der immer gewaltigere Orchesterklang und die Tendenz zu expressiver solistischer Virtuosität verdrängten zunehmend die Kammermusik und die Glasharmonika als ein typisches Instrument dieses Genres.

1919

Strauss nutzt die Glasharmonika

Erst Richard Strauss nahm für seine Oper 'Die Frau ohne Schatten' große Mühen und Kosten auf sich, um die Glasharmonika in der Schlüsselszene des Werkes im 3. Akt einsetzen zu können.

1988

Neue Instrumente

Der Instrumentenbauer und Musiker Sascha Reckert hat die Tradition der böhmischen Glasharmonikabauer Pohl wieder aufgenommen und zusammen mit der Glashütte Eisch ca. 40 solcher Instrumente aus mundgeblasenem Kristallglas hergestellt.

1991-1992

Erstaufführungen

Mit diesen Instrumenten konnte die Erstaufführung des vollständigen Glasharmonikaparts in „Die Frau ohne Schatten“ bei den Salzburger Festspielen, mit dem von Strauss original vorgesehenen Instrument, verwirklicht werden, ebenso in München in „Lucia di Lammermoor“ von Gaetano Donizetti.

2015

Im Kino

In Kinofilmen, wie in „Mr. Holmes“ und über Franz Anton Mesmer, kamen Glasharmonikas repräsentativ zum Einsatz.

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